BGH Urteil vom 04.08.2020 – X ZR 40/18: Zulässigkeit der Anschlussberufung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 PatG

BGH Urteil vom 04.08.2020 – X ZR 40/18: Zulässigkeit der Anschlussberufung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 PatG

Ordnet der Senatsvorsitzende in einem Patentnichtigkeitsverfahren an, dass der Berufungsbeklagte Gelegenheit erhält, auf die Berufungsbegründung innerhalb einer bestimmten Frist zu erwidern, so ist eine innerhalb dieser Frist eingereichte Anschlussberufung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 PatG zulässig.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 14. Dezember 2017 abgeändert. Das europäische Patent 2 090 508 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf die sich die Patentansprüche 2 bis 19 zurückbeziehen:

1. Elektrisches Energieversorgungssystem für Schiffe und maritime Sonderfahrzeuge aller Art, mit von Dieselmotoren (4, 5, 6, 7) angetriebenen Generatoren und mit Antrieben (1, 2) und Unterverteilungen (13) als Verbrauchern, wobei ein Gleichspannungszwischenkreis als Energiebus (3) zwischen den Antrieben (1, 2) und Unterverteilungen (13) und den Generatoren angeordnet ist und wobei Umrichter (11, 12) zur Versorgung der Antriebe (1, 2) und Unterverteilungen (13) mit Wechselspannung vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Generatoren als Asynchrongeneratoren ausgebildet sind, dass zwischen den Generatoren und dem Gleichspannungszwischenkreis bidirektional arbeitende Stromrichter (9, 10) angeordnet sind und dass die bidirektional arbeitenden Stromrichter mindestens einen Kondensator aufweisen, mit dessen gespeicherter Energie der zugehörige Asynchrongenerator beim Start auferregt wird, und dass als Antriebe (1, 2) Heck- (1) und Bugantriebe (2) vorgesehen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 %.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 090 508 (Streitpatents), das am 13. Januar 2009 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 16. Januar 2008 angemeldet worden ist. Patentanspruch 1, auf den achtzehn Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Elektrisches Energieversorgungssystem, insbesondere für Schiffe, mit von Dieselmotoren (4,5,6,7) angetriebenen Generatoren und mit Verbrauchern, wobei ein Gleichspannungszwischenkreis als Energiebus (3) zwischen den Verbrauchern (1,2,13) und den Generatoren angeordnet ist und wobei Umrichter (11,12) zur Versorgung der Verbraucher mit Wechselspannung vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Generatoren als Asynchrongeneratoren ausgebildet sind, dass zwischen den Generatoren und dem Gleichspannungszwischenkreis bidirektional arbeitende Stromrichter (9,10) angeordnet sind und dass die bidirektional arbeitenden Stromrichter mindestens einen Kondensator aufweisen, mit dessen gespeicherter Energie der zugehörige Asynchrongenerator beim Start auferregt wird.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Der Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit vier Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit Hilfsantrag 4 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie das Ziel der vollständigen Nichtigerklärung weiterverfolgt. Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent im Wege der Anschlussberufung auch in den Fassungen der erstinstanzlichen Hilfsanträge 1 und 2 sowie mit einem zusätzlichen neuen Hilfsantrag. Die Klägerin tritt der Anschlussberufung entgegen.

Gründe

A. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Anschlussberufung zulässig.

1. Die Anschlussberufung war bis zum Ablauf der dem Beklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig.

a) Nach § 115 Abs. 2 Satz 1 PatG ist die Anschließung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Berufungsbegründung zu erklären. Nach Satz 2 ist sie, wenn dem Berufungsbeklagten eine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt ist, bis zum Ablauf dieser Frist zulässig.

Im Streitfall hat der Vorsitzende des Senats eine solche Frist gesetzt, indem er nach Eingang der Berufungsbegründung verfügt hat, dass der Beklagte Gelegenheit erhält, auf die Berufungsbegründung bis zum 20. Mai 2019 zu erwidern.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht deshalb an einer Fristsetzung, weil die Verfügung diesen Begriff nicht enthält.

Aus der oben wiedergegebenen Formulierung ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Erwiderung auf die Berufungsbegründung innerhalb einer bestimmten Frist abzugeben ist und dass die Versäumung dieser Frist rechtliche Nachteile für den Beklagten zur Folge haben kann. Dies ist für eine wirksame Fristsetzung ausreichend.

Dass der Beklagte dies nicht anders verstanden hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass er zweimal – jeweils vor Ablauf der gesetzten Frist – um Fristverlängerung gebeten hat. In beiden daraufhin ergangenen Verfügungen ist darüber hinaus ausdrücklich bestimmt, dass die Frist zur Einreichung der Berufungserwiderung verlängert wird.

c) Einer Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung bedurfte es nicht.

Im Zivilprozess ergibt sich das Erfordernis, über die Folgen einer Versäumung der gesetzten Erwiderungsfrist zu belehren, aus § 521 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Vorschrift erklärt § 277 ZPO für entsprechend anwendbar. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist der Beklagte über den Anwaltszwang und über die Folgen einer Versäumung der Frist zur Klageerwiderung zu belehren. Das Unterbleiben dieser Belehrung führt dazu, dass die Fristsetzung nicht wirksam ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 = GRUR 2017, 785 Rn. 38 – Abdichtsystem). Im Zivilprozess hat dies zugleich zur Folge, dass auch eine Anschlussberufung ohne zeitliche Beschränkung zulässig bleibt, weil die ZPO eine dem Inhalt von § 115 Abs. 2 Satz 1 PatG entsprechende Regelung nicht enthält. Eine Belehrung über die Folgen einer Versäumung der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung ist auch im Zivilprozess nicht erforderlich (BGHZ 215, 89 Rn. 40 – Abdichtsystem).

Für das Verfahren in Patentnichtigkeitssachen ist eine Belehrung entsprechend § 277 ZPO nicht vorgesehen. Gemäß § 110 Abs. 8 PatG sind zwar einzelne Regelungen aus § 521 ZPO entsprechend anwendbar. Dies gilt aber nur für Absatz 1 und für Absatz 2 Satz 1 der genannten Vorschrift, nicht aber für Absatz 2 Satz 2 mit der Verweisung auf § 277 ZPO.

d) Unabhängig davon könnte das Unterbleiben einer gebotenen Belehrung ohnehin allenfalls zur Folge haben, dass der Berufungsbeklagte vor rechtlichen Nachteilen, auf die ihn die Belehrung aufmerksam machen sollte, bewahrt bleibt, nicht aber, dass ihm die mit der Fristsetzung verbundenen Vorteile verwehrt werden. Selbst wenn eine Belehrung vorgeschrieben wäre, hätte deren Unterbleiben mithin allenfalls dazu führen können, dass der Beklagte auch nach Ablauf der gesetzten Frist ohne rechtliche Nachteile auf die Berufung erwidern darf, nicht aber, dass er sich nur innerhalb der in § 115 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgesehenen Frist der Berufung anschließen kann.

2. Der Beklagte hat die Anschlussberufung innerhalb der zuletzt bis 5. Juli 2019 verlängerten Erwiderungsfrist eingereicht und begründet. Sein aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach übermittelter und zusätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehener Schriftsatz ist ausweislich des elektronischen Empfangsprotokolls am 4. Juli 2019 bei Gericht eingegangen.

B. Die Berufung ist unbegründet. Die Anschlussberufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit der Beklagte das Streitpatent noch verteidigt.

I. Das Streitpatent betrifft ein elektrisches Energieversorgungssystem für Schiffe.

1. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift waren im Stand der Technik Schiffe mit dieselbetriebenen Generatoren und Elektromotoren bekannt. Da sie mit höheren Investitionskosten verbunden seien, würden sie nur eingesetzt, wenn eine bessere Manövrierbarkeit oder eine höhere Betriebssicherheit von Vorteil seien. Zur Energieversorgung auf Schiffen seien Fahr- und Bordnetze bekannt, die einen Gleichspannungszwischenkreis aufwiesen; diese seien jedoch nicht einfach und nicht kostengünstig.

2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein von Dieselmotoren gespeistes Energieversorgungssystem zur Verfügung zu stellen, das einen besonders wirtschaftlichen Betrieb ermöglicht.

3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der mit der Anschlussberufung in erster Linie verteidigten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

1. Elektrisches Energieversorgungssystem, insbesondere für Schiffe und maritime Sonderfahrzeuge aller Art, 2. mit von Dieselmotoren (4, 5, 6, 7) angetriebenen Generatoren, 6. die als Asynchrongeneratoren ausgebildet sind, und 3. mit Antrieben (1, 2) und Unterverteilungen (13) als Verbrauchern, 10. wobei als Antriebe (1, 2) Heck- (1) und Bugantriebe (2) vorgesehen sind.

4. Zwischen den Verbrauchern (1, 2, 13) Antrieben (1, 2) und Unterverteilungen (13) und den Generatoren ist ein Gleichspannungszwischenkreis als Energiebus (3) angeordnet.

7. Zwischen den Generatoren und dem Gleichspannungszwischenkreis sind bidirektional arbeitende Stromrichter (9, 10) angeordnet.

8. Die bidirektional arbeitenden Stromrichter weisen mindestens einen Kondensator auf, 9. mit dessen gespeicherter Energie der zugehörige Asynchrongenerator beim Start auferregt wird.

5. Zur Versorgung der Verbraucher Antriebe (1, 2) und Unterverteilungen (13) mit Wechselspannung sind Umrichter (11, 12) vorgesehen.

4. Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegeben Figur 1 dargestellt.

5. Als für die Lehre des Streitpatents relevanten Fachmann hat das Patentgericht zutreffend einen Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Energieversorgung mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Versorgungssystemen im Inselbetrieb definiert, dem die speziellen Anforderungen bei Schiffen geläufig sind.

6. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.

a) Die in Merkmal 6 vorgesehenen Asynchrongeneratoren weisen im Vergleich zu den als Alternative in Betracht kommenden Synchrongeneratoren in der Regel einen einfacheren Aufbau auf. Um das zur Spannungserzeugung erforderliche magnetische Drehfeld zu erzeugen, muss dem Generator induktive Blindleistung zugeführt werden. Im laufenden Betrieb kann diese Leistung dem Netz entnommen werden, in das der Generator einspeist. Wenn beim Start der Maschine kein Versorgungsnetz zur Verfügung steht, muss die zum Aufbau des Magnetfelds erforderliche Energie aus anderen Quellen zur Verfügung gestellt werden, etwa aus einem Kondensator.

b) Mindestens einen Kondensator, der zur anfänglichen Erregung des zugehörigen Asynchrongenerators eingesetzt werden kann, weisen nach den Merkmalen 8 und 9 die bidirektionalen Stromrichter auf, die gemäß Merkmal 7 zwischen den Generatoren und dem Gleichspannungszwischenkreis angeordnet sind.

Diese Kondensatoren sind, wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat, Bestandteile des Gleichspannungszwischenkreises.

aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergeben sich insoweit aus dem Wortlaut des Patentanspruchs keine zwingenden Schlussfolgerungen.

Die nach dem Wortlaut vorgesehene Anforderung, dass die Stromrichter einen Kondensator “aufweisen”, könnte bei isolierter Betrachtung allerdings dahin zu verstehen sein, dass der Kondensator einen Bestandteil des Stromrichters bildet, also in einem gemeinsamen Gehäuse mit dem Stromrichter untergebracht oder diesem zumindest in anderer Weise räumlich zugeordnet ist. Ein solches Verständnis stünde jedoch in Widerspruch zu den Ausführungen in der Beschreibung.

In der Beschreibung werden die Kondensatoren zum Erregen der Generatoren nur an einer Stelle erwähnt. Dort heißt es zwar ebenso wie im Patentanspruch, dass die Umrichter Leistungskondensatoren aufweisen, die den nötigen Erregerstrom liefern (Abs. 12 Sp. 2 Z. 53-56). Im gleichen Zusammenhang wird aber ausgeführt, Gruppen von Umrichtern könnten zusammenschaltbar ausgebildet werden, um sogenannte E-Power-Packs zu bilden, die einen Erregerstrom zuverlässig liefern, sobald der Generator vom Diesel angetrieben wird (Abs. 12 Sp. 2 Z. 56 bis Sp. 3 Z. 4). Dem ist zu entnehmen, dass nicht die räumliche Anordnung der Kondensatoren ausschlaggebend ist, sondern deren Funktion als zuverlässige Lieferanten des erforderlichen Erregerstroms. Hieraus ergibt sich, wie auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht, dass die Kondensatoren auf der Gleichspannungsseite angeordnet sind und es einer räumlichen Nähe zwischen Kondensator und Stromrichter nicht zwingend bedarf.

Vor diesem Hintergrund können der Anforderung, dass die Stromrichter mindestens einen Kondensator aufweisen, entgegen der Auffassung des Beklagten auch keine näheren Festlegungen zu der Frage entnommen werden, ob die Kondensatoren einen Bestandteil des Gleichspannungszwischenkreises bilden. Auch insoweit ist der Patentanspruch vielmehr funktional auszulegen.

bb) Eine funktionale Betrachtung führt, wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat, zu der Auslegung, dass die Kondensatoren im Gleichspannungszwischenkreis angeordnet sein können.

(1) Das Streitpatent unterscheidet zwischen den voneinander getrennten Wechselspannungskreisen für die Generatoren und für die Verbraucher und dem Gleichspannungszwischenkreis, der eine Energieübertragung zwischen diesen beiden Seiten ermöglicht, sie aber in Bezug auf Spannung, Frequenz und Phasenlage voneinander entkoppelt. Der Zwischenkreis ist gemäß Merkmal 4 als Energiebus ausgestaltet, der grundsätzlich alle Generatoren und alle Verbraucher miteinander verbindet, wie dies auch in Figur 1 dargestellt ist. Der Bus kann zwar bei Bedarf in mehrere Gruppen aufgetrennt werden, etwa um Bug- und Heckantriebsgruppe separat zu betreiben (Abs. 16). Innerhalb dieser Gruppen verbleibt es aber auch im Falle einer solchen Auftrennung bei der Ausgestaltung als Bus.

Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich alle Komponenten, die auf Gleichspannungsseite angeschlossen sind, einen Bestandteil des Zwischenkreises bilden. Dies gilt insbesondere für die Stromrichter, die die von den Generatoren erzeugte Wechselspannung in Gleichspannung umwandeln und in den Zwischenkreis einspeisen. Für einen auf der Gleichspannungsseite angeordneten Kondensator, der einem solchen Stromrichter funktionell zugeordnet ist, kann angesichts dessen nichts anderes gelten. Folgerichtig enthält die Beschreibung keine Hinweise darauf, dass die Kondensatoren durch besondere Maßnahmen vom Zwischenkreis abzutrennen und so anzuordnen wären, dass sie unter allen denkbaren Umständen jeweils nur einen Generator mit Energie versorgen können.

(2) Die bereits erwähnten Ausführungen in der Beschreibung, wonach Gruppen von Umrichtern zur Bildung von E-Power-Packs zusammenschaltbar ausgestaltet werden können, sprechen entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls für dieses Verständnis.

Zwar erschienen besondere Vorrichtungen zum Zwecke des Zusammenschaltens in der Tat sinnlos, wenn alle Komponenten ohnehin ständig miteinander verbunden wären. Hieraus ergibt sich aber nicht die Schlussfolgerung, dass die einzelnen Kondensatoren und Stromrichter grundsätzlich voneinander getrennt und nur bei Bedarf zusammenschaltbar auszugestalten sind, sondern lediglich der Hinweis, dass es dem Fachmann freisteht, ob er alle Komponenten an einen einheitlichen Bus anschließt oder mehrere Teilsysteme bildet, die nur bei Bedarf zusammengeschaltet werden.

cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die in Merkmal 9 enthaltene Festlegung, dass mit der im Kondensator gespeicherten Energie der zugehörige Generator beim Start auferregt wird, ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Aus der genannten Anforderung ergibt sich zwar, dass jedem Generator ein oder mehrere Stromrichter und Kondensatoren zugeordnet sind, die zumindest in erster Linie zur Versorgung mit der erforderlichen Erregungsleistung vorgesehen sind. Auch hieraus ist aber nicht abzuleiten, dass jeder abweichende Energiefluss zwingend zu verhindern ist.

Angesichts der bereits mehrfach erwähnten Ausführungen in der Beschreibung, wonach das Zusammenschalten von Gruppen von Umrichtern zur Bildung von E-Power-Packs besondere Vorteile bringt, ist Merkmal 9 vielmehr dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Zuordnung einer solchen Gruppenbildung nicht entgegensteht. Dies lässt die Möglichkeit offen, die Kondensatoren im Gleichspannungszwischenkreis anzuordnen, so dass sie nicht nur die ihnen zugeordneten Generatoren, sondern zumindest im Falle von Störungen auch andere Generatoren mit Erregungsleistung versorgen können.

dd) Ob es ausreicht, für alle zu einer Gruppe zusammengeschalteten Stromrichter insgesamt nur einen Kondensator vorzusehen, oder ob für jeden Stromrichter jeweils mindestens ein gesonderter Kondensator vorhanden sein muss, kann dahingestellt bleiben. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, ist diese Frage für die Beurteilung der Patentfähigkeit nicht relevant.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei dem Fachmann durch die deutsche Offenlegungsschrift 10 2004 034 936 (K7) und das Gebrauchsmuster 296 04 437 (K5) nahegelegt gewesen. K7 offenbare ein Energieversorgungssystem für Schiffe mit den Merkmalen 1 bis 5 sowie 7, 8 und 10. K7 lasse offen, ob Asynchron- oder Synchrongeneratoren zu verwenden seien. Für diese Frage stoße der Fachmann auf K5. Diese Schrift zeige ebenfalls ein elektrisches Energieversorgungssystem für Schiffe und lehre ausdrücklich, einen Asynchrongenerator zu verwenden und diesem mittels Kondensatoren die für die Erregung dieses Generators erforderliche Blindleistungskomponente bereitzustellen. Dem Fachmann, der ein Energieversorgungssystem mit mehreren Generatoren entsprechend der K7 realisieren wolle, sei es damit nahegelegt gewesen, die erforderlichen Generatoren aufgrund der in K5 gezeigten Vorteile als Asynchrongeneratoren auszubilden und mit Hilfe von Kondensatoren zu erregen. Dagegen sei die Nichtigkeitsklage unbegründet, soweit mit ihr die Patentansprüche in der Fassung von Hilfsantrag 4 angegriffen würden.

III. Dies hält den Angriffen der Berufung stand, nicht aber den Angriffen der Anschlussberufung.

Der mit der Anschlussberufung in erster Linie verteidigte Gegenstand war dem Fachmann ausgehend von K7 nicht nahegelegt.

1. K7 offenbart ein Energieversorgungssystem insbesondere für Schiffe, mit mehreren von Dieselmotoren angetriebenen Generatoren und mehreren Elektromotoren.

Der erzeugte Strom wird über Stromrichter an einen Gleichspannungszwischenkreis geleitet. Von dort wird er mittels Umrichtern an die Antriebsmotoren und an das Bordnetz weitergeleitet.

Zwei Ausführungsbeispiele sind in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 dargestellt.

2. Damit sind, wie auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1 bis 5 sowie 7 offenbart.

3. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war die Frage, welcher Generatortyp zum Einsatz kommen soll, ausgehend von K7 nicht völlig offen.

Wie auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht, enthält K7 allerdings keine ausdrücklichen Hinweise auf den eingesetzten Generatortyp.

Zu Recht macht der Beklagte indes geltend, dass bei dem ersten der in K7 geschilderten Ausführungsbeispiele aus Sicht des Fachmanns ein Synchrongenerator eingesetzt werden muss.

Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Umwandlung von Wechsel- in Gleichspannung mit Hilfe von Diodenbrücken erfolgt (Abs. 23) und diese Art von Gleichrichtern nicht die für einen Asynchrongenerator erforderliche Blindleistung übertragen kann, weil sie nur einen unidirektionalen Betrieb ermöglicht.

In einem weiteren Ausführungsbeispiel werden anstelle von Diodenbrücken allerdings Umrichter eingesetzt (Abs. 37), die aus Bipolartransistoren mit isolierter Gate-Elektrode (insulated gate bipolar transistors, IGBT, Abs. 9) bestehen und einen bidirektionalen Betrieb ermöglichen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, die Generatoren motorisch zu betreiben, wenn die Gleichspannung einen bestimmten Wert überschreitet, und das Gleichspannungsnetz auf diese Weise zu stabilisieren (Abs. 37). Die Ersetzung des Synchrongenerators durch einen Asynchrongenerator wird in K7 jedoch weder in diesem Zusammenhang noch an sonstiger Stelle erwähnt.

4. Vor diesem Hintergrund ergab sich aus K5 entgegen der Auffassung des Patentgerichts kein hinreichender Anlass, den im ersten Ausführungsbeispiel von K7 eingesetzten Synchrongenerator durch einen Asynchrongenerator zu ersetzen.

a) K5 offenbart einen Hybridantrieb für Wasserfahrzeuge, dessen Funktionsprinzip in der nachfolgend wiedergegebenen (einzigen) Figur dargestellt ist.

In einem ersten Betriebsmodus treibt ein Dieselmotor 1 eine Propellerwelle 4 und eine Asynchronmaschine 3 an. In diesem Modus fungiert die Asynchronmaschine als Generator, der über einen Frequenzumrichter 5 einen Zwischenkreis mit elektrischer Energie versorgt. Mit diesem Zwischenkreis können Akkumulatorbatterien 6 aufgeladen und das Bordnetz gespeist werden. Über einen Eingangsgleichrichter 10 kann Energie auch aus einem stationären Landanschluss zugeführt werden. Ein im Zwischenkreis angeordneter Kondensator 9 stellt die für die Erregung der generatorisch betriebenen Asynchronmaschine notwendige Blindkomponente bereit und gewährleistet einen Inselbetrieb im generatorischen Betrieb (S. 4 Abs. 3).

In einem weiteren Betriebsmodus wird die Asynchronmaschine als Motor betrieben, der den Propeller antreibt. Die hierfür notwendige Energie erhält sie über den Zwischenkreis von den Akkumulatoren (S. 3 Abs. 3).

b) Damit sind, wie das Patentgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, alle Mittel offenbart, die der Fachmann benötigt, um das in K7 offenbarte System mit Asynchrongeneratoren zu speisen.

Das in K5 offenbarte System enthält zwar nur eine elektrische Maschine, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten als Generator und als Motor betrieben wird. Auch in dieser Konstellation stellt sich aber das Grundproblem, dass eine Asynchronmaschine nur dann als Generator betrieben werden kann, wenn ihr Blindleistung zugeführt wird. Dieses Problem wird in K5 mit einem Gleichstromkreis gelöst, in dem ein Kondensator zur Verfügung steht, der die erforderliche Blindleistung bereitstellt.

Ein Gleichstromzwischenkreis mit Kondensatoren ist auch bei dem in K7 offenbarten System vorhanden. Selbst wenn die dort vorgesehenen Kondensatoren zur Erzeugung der für einen Asynchrongenerator benötigten Blindleistung nicht ausreichten, wäre es dem Fachmann möglich gewesen, die erforderlichen Voraussetzungen durch anderweitige Dimensionierung oder Anordnung der vorhandenen Kondensatoren oder durch Hinzufügen weiterer Kondensatoren zu schaffen. Dem Umstand, dass bei dem in K7 offenbarten System Generatoren und Motoren zum gleichen Zeitpunkt betrieben werden, bei dem in K5 offenbarten System hingegen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, und dem bei K5 daraus resultierenden Erfordernis einer Zwischenspeicherung der erzeugten Energie in Akkumulatoren kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

c) Trotz dieser Übereinstimmungen ergab sich aus K5 keine Anregung, das in K7 offenbarte System in der beschriebenen Weise abzuwandeln.

Die oben aufgezeigten Gemeinsamkeiten ergaben sich für den Fachmann nur aufgrund einer analysierenden Betrachtung, die die im Zentrum der beiden Entgegenhaltungen stehenden Einsatzzwecke und Konfigurationsdetails ausblendet und allein die grundlegenden Funktionsprinzipien in den Blick nimmt. Grundlegende Analysen dieser Art waren weder durch K5 noch durch K7 veranlasst.

Beide Entgegenhaltungen offenbaren Systeme für relativ spezielle Einsatzzwecke, die im Wesentlichen nur insoweit übereinstimmen, als es um die Elektrizitätsversorgung auf einem Schiff geht. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Kombination der beiden Systeme auf einem Schiff oder den Ersatz des einen durch das andere hätten nahelegen können, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Angesichts dessen bestand für den Fachmann kein Anlass, die beiden Entgegenhaltungen trotz dieser Unterschiede auf grundlegende Funktionsprinzipien zu untersuchen, die sich vom einen System auf das andere übertragen lassen.

IV. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.

Eine Anregung, das in K7 offenbarte System mit Asynchrongeneratoren zu betreiben, ergab sich auch nicht aus anderen Entgegenhaltungen oder dem allgemeinen Fachwissen.

1. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, konnte der Fachmann durch eine analysierende Betrachtung allerdings erkennen, dass das in K7 offenbarte System für den Einsatz von Asynchrongeneratoren grundsätzlich geeignet ist.

Dem Einsatz dieses Generatorentyps stand insbesondere nicht der vom Beklagten hervorgehobene Umstand entgegen, dass solche Generatoren an das Netz angeschlossene Motoren nicht mit Blindleistung versorgen können und ihrerseits auf die Zufuhr von Blindleistung angewiesen sind. Beide Schwierigkeiten waren bei dem in K7 offenbarten System bereits überwunden, weil es einen Gleichstromzwischenkreis aufweist, der bei geeigneter Auslegung die erforderliche Blindleistung sowohl für die Generatoren als auch für die Motoren liefern kann.

2. Selbst wenn diese Erkenntnisse zum allgemeinen Fachwissen gehört haben, waren sie ausgehend von K7 nicht derart offensichtlich, dass ihre Heranziehung für den Fachmann auch ohne konkrete Anregung naheliegend war.

Dem steht nicht entgegen, dass es grundsätzlich nur zwei Generatorentypen gibt, deren grundlegende Vor- und Nachteile dem Fachmann geläufig waren.

Der mit der Weiterentwicklung von Systemen für einen bestimmten Anwendungsbereich betraute Fachmann hatte keinen Anlass, derart grundlegende Erwägungen anzustellen, wenn der Einsatz eines der beiden Typen in diesem Bereich etabliert war und keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, die es nahelegten, dies in Frage zu stellen.

Ausgehend von K7 ergaben sich für den Fachmann keine hinreichenden Anhaltspunkte im zuletzt genannten Sinne. Wie bereits oben dargelegt wurde, geht die Beschreibung des ersten Ausführungsbeispiels stillschweigend vom Einsatz eines Synchrongenerators aus, ohne diese Auswahl ausdrücklich anzusprechen. Selbst im Zusammenhang mit dem zweiten Ausführungsbeispiel, das aufgrund des Einsatzes von bidirektional betreibbaren Umrichtern die Möglichkeit zum Einsatz eines Asynchrongenerators eröffnet, bleibt diese Frage unerörtert. Angesichts dessen hatte der mit der Weiterentwicklung des Systems aus K7 betraute Fachmann keinen Anlass, diese Grundentscheidung in Frage zu stellen und dieses System gerade in dieser Hinsicht abzuwandeln.

3. Vor diesem Hintergrund vermag der von der Klägerin aufgezeigte Umstand, dass Asynchrongeneratoren am Prioritätstag für eine Vielzahl von ähnlichen Anwendungsbereichen eingesetzt worden sind, etwa für Windkraftanlagen und Elektrolokomotiven, ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.

Dieser Umstand bestätigt zwar, dass der Einsatz von Asynchrongeneratoren auch für das in K7 offenbarte System schon am Prioritätstag möglich war. Aus ihm ergab sich aber nicht die erforderliche Anregung, von dieser Erkenntnis zur Weiterentwicklung dieses Systems Gebrauch zu machen.

V. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif.

Aus den oben dargelegten Gründen ergibt sich, dass der Gegenstand des Streitpatents in dem zuletzt verteidigten Umfang patentfähig ist.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.

Bacher Grabinski Hoffmann Deichfuß Rombach Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.12.2017 – 1 Ni 1/16 (EP)

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