Am 6. Mai 2014 hatte der 3. Senat des Bundespatentgerichts über eine Klage der ratiopharm GmbH gegen das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011 von MSD Oss B.V. (Niederlande) zu entscheiden. Das Schutzzertifikat betrifft das Gestagen Desogestrel, das als einziger Wirkstoff in der sog. „Minipille“ enthalten ist, die von MSD unter der Marke „Cerazette“ vertrieben wird. Das Schutzzertifikat wurde für nichtig erklärt.
Aktenzeichen:
3 Ni 21/12
BUNDESPATENTGERICHT 3 Ni 21/12 URTEIL vom 6. Mai 2014
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In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Dipl.-Chem. Dr. Jäger für Recht erkannt:
I. Das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen das mit Beschluss vom 29. Oktober 2004 des Deut-schen Patent- und Markenamts mit einer Laufzeit bis zum 12. Dezember 2012 für den Wirkstoff Desogestrel erteilte ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011. Diesem Schutzzertifikat liegt das am 12. Dezember 1991 beim Europäischen Pa-tentamt angemeldete, die Priorität der europäischen Patentanmeldung 9020 3371 vom 17. Dezember 1990 in Anspruch nehmende, mit Wirkung für die Bundesre-publik Deutschland erteilte europäische Patent EP 0 491 443 B1 (Grundpatent) zu Grunde, das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 691 17 902 geführt wird und dessen Schutzdauer am 13. Dezember 2011 ab-gelaufen ist. Gegen die Klägerin war ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf-
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grund des Streitzertifikats vor dem OLG Düsseldorf anhängig und Schadenser-satz- und Verletzungsklagen stehen im Raum.
Das Grundpatent betrifft „Progestogen als einziges Kontrazeptivum” und umfasst für die Bundesrepublik Deutschland neun Patentansprüche, von denen die An-sprüche 1, 5, 6, 7 und 8 nebengeordnet sind. Die Patentansprüche des Streitpa-tents lauten in der deutschen Übersetzung:
„1. Kombination und Empfängnisverhütungspackung umfassend sequenzielle tägliche Dosiseinheiten zur oralen Verabreichung, von denen jede als einzigen empfängnisverhütend wirksamen Be-standteil 70 bis 80 Mikrogramm Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen davon enthält.
2. Kombination und Empfängnisverhütungspackung nach An-spruch 1, worin diese Packung 21 bis 35 dieser täglichen sequen-ziellen Dosiseinheiten enthält.
3. Kombination und Empfängnisverhütungspackung nach An-spruch 2, worin dieses Gestoden 3-Ketodesogestrel ist, das in ei-ner Menge, von 75 Mikrogramm pro Dosiseinheit vorhanden ist.
4. Kombination und Empfängnisverhütungspackung nach An-spruch 2, worin dieses Gestoden Desogestrel ist, das in einer Menge von 75 Mikrogramm pro Dosiseinheit vorhanden ist.
5. Anwendung einer täglichen oralen Dosiseinheit, bestehend im Wesentlichen aus 70 bis 80 Mikrogramm eines Gestodens, das aus der Gruppe von Gestodenen bestehend aus Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen davon ausgewählt wird, bei der Herstellung eines Arzneiabgabesystems, wobei dieses Arzneiab-gabesystem dadurch gekennzeichnet ist, dass es aus täglichen
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Dosiseinheiten besteht, die nur eine Gestodenverbindung als ein-zigen therapeutisch wirksamen Bestandteil enthält.
6. Arzneiabgabesystem umfassend eine Packung, die 26 bis 30 sequenzielle tägliche Dosiseinheiten enthält, die im Wesentlichen aus 70 bis 80 Mikrogramm einer Verbindung bestehen, die aus der Gruppe bestehend aus Desogestrel, 3-Ketodesogestrel und Mischungen davon ausgewählt wird.
7. Empfängnisverhütungspackung vom Typus, der tägliche Nur-Gestoden-Dosiseinheiten enthält, worin die Verbesserung die An-wendung von 70 bis 80 Mikrogramm 3-Ketodesogestrel, Desoge-strel oder Mischungen davon als das Gestoden in diesen täglichen Dosiseinheiten umfasst.
8. Verfahren zur Herstellung eines Arzneiabgabesystems, umfassend: Mischen vorbestimmter Mengen eines Gestodens, das aus der Gruppe bestehend aus Desogestrel, 3-Ketodesoge-strel und Mischungen davon ausgewählt wird, mit vorbestimmten Mengen Arzneiträgern und Umwandeln der Mischung in Dosisein-heiten, von denen jede 70 bis 80 μg Desogestrel, 3-Ketodesoge-strel oder Mischungen davon enthält, und Abpacken einer Mehr-zahl dieser Dosiseinheiten in eine Packung.
9. Verfahren nach Anspruch 9, worin diese Mischung in Dosiseinheiten umgewandelt wird, die aus der Gruppe bestehend aus Kapseln und Tabletten ausgewählt werden.“
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Die Klägerin stützt sich auf folgende Dokumente:
NiK1 EP 0 491 443 B1
NiK2 Cullberg, G. et al., Acta Obstet. Gynecol. Scand. Suppl., 1982, 111, S. 21 bis 28
NiK3 Viinikka, L. et al., Acta Endocrinologica, 1976, 83, S. 429 bis 438
NiK4 Viinikka, L. et al., Contraception, 1977, 16, S. 51 bis 58
NiK5 Kurzgutachten zu EP 0 491 443 B1 von Prof. Dr. H. Kuhl vom
6. Juni 2012
NiK6 Kurzgutachten zu EP 0 491 443 B1 von Prof. Dr. H. L. Sommer vom 26. Mai 2012
NiK7 Declaration von Hermann Jan Tijmen Coelingh Bennink, PhD, im Erteilungsverfahren zu US 5,461,041 (Anmeldenummer 08/183,644) vom 27. Februar 1995
NiK8 Erteilungsbeschluss des deutschen Patent- und Markenamtes zum Schutzzertifikat DE 199 75 011 vom 29. Oktober 2004
NiK9 Rote Liste 1993, Edition Cantor Aulendorf/Württ.: Einträge zu “Lo-velle®” und “Marvelon®”
NiK10 Auszug aus der DIMDI-Datenbank AMIS zu “Lovelle” vom
20. März 2012
NiK11 Auszug aus der DIMDI Datenbank AMIS zu “Marvelon” vom
20. März 2012
NiK12 Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-322/10 vom 24.November 2011 (Medeva) in Deutsch und Englisch
NiK13 Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-422/10 vom 24.November 2011 (Georgetown University) in Deutsch und Englisch
NiK14 Gutachtliche Stellungnahme von Professor Dr. H. Kuhl vom
14. Juni 2013
NiK15 DE 23 61 120 C2
NiK16 Fachinformation “Yvette-ratiopharm®”, Mai 2012
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NiK17 Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Berufungsverfahren I-2 U 94/12 vom 7. November 2013
Anlage 1 Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.November 2012,
Az.: 4b O 123/12
Sie macht geltend, das Streitzertifikat sei gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel in Verbindung mit § 16a und § 81 PatG für nichtig zu erklären, weil nach Erlöschen des Grund-patents Nichtigkeitsgründe vorlägen, die die Nichtigkeit des Grundpatents, insbe-sondere wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber NiK2 in Verbindung mit NiK4, gerechtfertigt hätten.
Weiterhin sei das Schutzzertifikat entgegen den Vorschriften des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 erteilt worden, weil die Genehmigung für das In-verkehrbringen des Erzeugnisses Desogestrel als Arzneimittel in Deutschland, aufgrund derer die Erteilung erfolgte, nicht die erste Genehmigung für das Inver-kehrbringen des Erzeugnisses Desogestrel als Arzneimittel in Deutschland gewe-sen sei, denn dieser Wirkstoff sei in Kombinationen mit dem Wirkstoff Ethi-nylestradiol in den Verhütungsmitteln „Lovelle®“ und „Marvelon®“ bereits vor der Genehmigung für das dem Streitzertifikat zu Grunde liegende Arzneimittel Cerazette für den deutschen Markt zugelassen und im Handel gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011 für nichtig zu er-klären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
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und stützt ihre Argumentation auf folgende Dokumente:
B1 Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. November 2012, Az.: 4b O 123/12
B2 Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. November 2012, Az.: 4b O 139/12
B3 “Die Pille mit Ethinylestradiol”, Ausdruck von www.femaleaffaires.de
B4 “Minipille”, Ausdruck von www.femaleaffaires.de
B5 “Die östrogenfreie Pille“, Ausdruck von www.femaleaffaires.de
B6 Kopie der eidesstattlichen Versicherung von Prof. Dr. Herjan J.T. Coelingh Bennink vom 7. September 2012
B7 Gebrauchsinformation zu „Cerazette® 75 Mikrogramm Filmtabletten“ vom Dezember 2011
B8 Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-130/11 (Neurim) vom 19. Juli 2012
B9 Gutachten von Herrn Dr. Helenius J. Kloosterboer vom 10. Mai 2013
B10 deutsche Übersetzung des Gutachtens B9
B11 Cullberg, G. et al., Acta Obstet Gynecol Scand Suppl., 1982, 111,
S. 13 bis 19
B12 Gutachten von Dr. Helenius J. Kloosterboer vom 29. August 2013
mit 6 Anlagen,
Anlage 6: Rinehart, W., Popul. Rep. A. 1975, S. A-53 bis A-67
B13 deutsche Übersetzung des Gutachtens B12
B14 Gutachten von Dr. Helenius J. Kloosterboer vom 5. März 2014
B15 deutsche Übersetzung des Gutachtens B14
B16 „Marvelon® – Product Monograph“, N. V. Organon, The Netherlands, 2000
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegen. Der Stand der Technik, der in erster Linie die Entwicklung herkömmlicher Kombinati-onspräparate betreffe, bei denen die Inhibierung der Ovulation im Vordergrund stehe, gebe dem Fachmann keine Anregung, ein Desogestrel enthaltendes Mo-
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nopräparat mit dieser Wirkung bereitzustellen. Denn bei Monopräparaten des Standes der Technik spiele die ovulationshemmende Wirkung lediglich eine ne-bengeordnete Rolle. Die Patentfähigkeit des streitpatentgemäßen Wirkstoffes be-ruhe zudem auf dessen überraschenden Vorteilen im Vergleich zu bereits be-kannten Monopräparaten.
Das angegriffene Schutzzertifikat sei auch nicht nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EG) Nr. 469/209 nichtig, da es sich bei den von der Klägerin ge-nannten Zulassungen für Desogestrel enthaltende Wirkstoffzusammensetzungen nicht um eine Zulassung für Wirkstoff Desogestrel als alleinigen Wirkstoff eines Erzeugnisses handle.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gem. Art. 15 Abs. 2 und Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 429/2009 i. V. m. § 81 PatG zulässig. Da Verletzungs- sowie Schadensersatzklagen auf Grund des erloschenen Streitzertifikats gegen die Klägerin drohen, ist das erfor-derliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
Die Klage ist auch begründet, da dem dem Streitzertifikat zu Grunde liegenden Streitpatent Nichtigkeitsgründe entgegengestanden haben (Art. 15 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009, in Verbindung mit § 16a und § 81 PatG).
I.
1. Das Streitpatent EP 0 491 443 B1 (= Grundpatent) betrifft Zubereitungen für die Empfängnisverhütung, insbesondere ein Verabreichungsregime zur Empfäng-nisverhütung, das die alleinige Verabreichung von Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen von diesen umfasst (vgl. Streitpatent NiK1 S. 2 Sp. 1 Z. 3 bis 6).
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a) Der Wirkstoff Desogestrel
ist ein Gestagen (= Progestagen, in der deutschen Übersetzung des Streitpatentes auch mit Gestoden bezeichnet) der 3. Generation und ein Derivat des Nortestoste-rons, einem natürlich vorkommenden Sexualhormon. Im Körper wird Desogestrel – bei dem es sich daher um ein Prohormon handelt – zum eigentlichen Wirkstoff, dem 3-Ketodesogestrel (= Etonogestrel)
umgewandelt (vgl. NiK3 S. 437 Z. 9 bis 13 sowie NiK5 S. 2 Abs. 7).
b) Am Prioritätstag des Streitpatentes war es – wie eingangs der Schrift unter Bezugnahme auf diversen Stand der Technik ausgeführt wird – bekannt, dass bei Frauen in gebärfähigem Alter durch die Verabreichung eines Gestagens eine Empfängnisverhütung erzielt werden kann. So würden zum Beispiel in der franzö-sischen Patentanmeldung Nr. 2 223 018 und im US-Patent 3 822 355 die Verab-reichung von abschnittsweise steigenden Dosen eines Gestagens zur Empfäng-nisverhütung mit einem wirkstofffreien Zeitintervall beschrieben. Ferner sei ein Verfahren zur Empfängnisverhütung aus dem US-Patent 4 018 919 und dem bel-gische Patent 773 064 bekannt, bei dem zwei verschiedene Gestagene, wie z. B. Norethindron und Chlormadionacetat, verabreicht würden. Im weiteren sei im US-
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Patent 4 171 358 eine Methode zur Empfängnisverhütung beschrieben, bei dem ein Gestagen, wie z. B. Chlormadionacetat, vom 6. bis 16. Tag des Menstruati-onszyklus verabreicht werde, gefolgt von einem hormonfreien Intervall. Vergleich-bare Verfahren gäben auch die deutschen Patentschriften DT 1 950 857 und DT 1 965 881 an. Unter Bezugnahme auf weitere Veröffentlichungen wird ferner ausgeführt, dass “progestogen-only”-Pillen (= Monopräparate bzw. Minipillen) vor allem für Stillende, für ältere Frauen oder für Frauen, bei denen Estrogene kont-raindiziert sind, die einen hohen Blutdruck aufweisen oder bei denen unter Gabe von Hormon-Kombinationspräparaten Migräne oder Kopfschmerzen auftreten, geeignet seien. Jedoch sei – trotz der Beschreibung verschiedener „Nur-Gesta-gen“-Verabreichungsregime – die Einnahme von Gestagen-Monopräparaten mit einer unvollständigen Ovulationshemmung und einer relativ hohen Versagerquote verbunden. Daher sei vorgeschlagen worden, die tägliche Gestagen-Dosis zu er-höhen, um eine vollständige Ovulationsinhibierung zu erzielen. Eine Dosiserhö-hung habe jedoch zu häufigeren Zwischenblutungen geführt. Mit der alleinigen Verabreichung von Gestagenen zur Empfängnisverhütung sei ferner auch ein er-höhtes Auftreten von funktionellen Ovarialzysten beobachtet worden, die sich nach Absetzen des Monopräparates wieder zurück bildeten (vgl. NiK1 Sp. 1 Z. 7 bis Sp. 2 Z. 17).
2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die objektive technische Aufgabe zu Grunde, ein „Nur-Gestagen“-Verabreichungs-Regime zur Empfäng-nisverhütung bereitzustellen, das die Ovulation wirkungsvoller inhibiert, nicht aber zu häufigeren Zwischenblutungen oder zu persistierenden funktionellen Ovarial-zysten führt als mit bereits bekannten Gestagen-Monopräparaten (vgl. NiK1 Sp. 2 Z. 18 bis 21).
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 durch eine
1. Kombination und Empfängnisverhütungspackung umfassend sequenzielle tägliche Dosiseinheiten zur oralen Verabrei-chung,
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2. von denen jeder als einzigen empfängnisverhütend wirksamen Bestandteil
2.a. Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen davon ent-hält und
2.b. wobei die Dosiseinheit 70 bis 80 Mikrogramm beträgt.
Die Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 5 ferner gelöst durch die Anwendung einer täglichen oralen Dosiseinheit bestehend im Wesentlichen aus 70 bis 80 Mikrogramm Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen als einzigen thera-peutisch wirksamen Bestandteil bei der Herstellung eines Arzneiabgabesystems.
Im weiteren gelöst wird sie gemäß Patentanspruch 6 durch ein Arzneiabgabesys-tem, gemäß Patentanspruch 7 durch eine Empfängnisverhütungspackung und gemäß Patentanspruch 8 durch ein Verfahren zur Herstellung eines Arznei-abga-besystems.
4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team, dem jedenfalls ein wissenschaftlich arbeitender Gynäkologe und ein pharmazeuti-scher Technologe angehören.
II.
Das ergänzende Schutzzertifikat DE 199 75 011 erweist sich als nicht bestandsfä-hig, weil die Patentansprüche 1 bis 9 gemäß abgelaufenem Grundpatent EP 0 491 443 B1 mangels Patentfähigkeit nicht rechtsbeständig gewesen wären.
1. Der Patentanspruch 1 fällt der Nichtigkeit anheim, weil die Bereitstellung einer Kombination und Empfängnisverhütungspackung gemäß Patentanspruch 1, die sequenzielle tägliche Dosiseinheiten zur oralen Verabreichung umfasst, die als
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einzigen empfängnisverhütend wirksamen Bestandteil 70 bis 80 Mikrogramm De-sogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen davon enthalten, kein erfinderi-sches Zutun erforderte.
1.1. Die Anregung, zur Lösung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Auf-gabe Desogestrel in Betracht zu ziehen, erhielt der Fachmann mit den wissen-schaftlichen Veröffentlichungen NiK2 bis NiK4. Diese wird der Fachmann, der mit der vorliegenden Problematik befasst ist, in seine Überlegungen einbeziehen, denn er kennt nicht nur die wesentlichen Publikationen auf seinem Fachgebiet; er wird sich zunächst auch mit diesen befassen, um einen Überblick über den For-schungsstand auf dem von ihm zu bearbeitenden Gebiet zu erhalten. Dabei wird er seinen Fokus als erstes insbesondere auf jene Substanzen richten, deren arz-neiliche Wirkung bereits Gegenstand wissenschaftlicher Studien waren und die sich gegebenenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt als Bestandteil eines kommerzi-ellen Produktes auf demselben Indikationsgebiet bewährt haben.
Demzufolge war dem Fachmann am Prioritätstag das Gestagen Desogestrel als Bestandteil des Kombinationspräparates “Marvelon®” (vgl. B16 S. 4 Abs. 1) sowie als Gegenstand klinischer Studien bekannt. Auf der Suche nach einem Gestagen, mit dem die vorstehend dargelegten Nachteile bisheriger ein Gestagen enthalten-der Monopräparate überwunden werden könnten, war es auf Grund dessen nahe-liegend, den Blick auch auf dieses bis dahin noch nicht entsprechend eingesetzte Gestagen zu richten. Dieses trifft insbesondere deshalb zu, weil die Fachwelt – wie z. B. anhand der wissenschaftlichen Veröffentlichung NiK4 zu ersehen ist – Desogestrel als eines der wirksamsten Gestagene unter den bis dahin bekannten Gestagenen, dessen Einnahme zudem nicht mit dem Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen verbunden ist, einstufte (vgl. NiK4 S. 52 Abs. 1 i. V. m. dem dort genannten Zitat (2) = NiK3 S. 430 Abs. 2 le. Satz und S. 437 Abs. 3 sowie NiK 4 S. 56 Abs. 3 le. Satz ). Diese Schlussfolgerung basiert auf Ergebnissen, die mit den ersten klinischen Studien erhalten worden waren. Im Rahmen dieser war fest-gestellt worden, dass es sich bei Desogestrel (= Org 2969) um ein Gestagen mit sehr hoher ovulationshemmender Wirkung, nämlich einer inhibierenden Wirkung
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von 100 %, handelt und diese Wirkung jedenfalls mit einer täglichen Einnahme von 0,125 und 0,060 mg erzielt wird (vgl. NiK4 S. 52 Abs. 1 Satz 4 sowie S. 56 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. dem dort genannten Zitat (2) = NiK3 S. 429 Titel und S. 436 Abs. 1 sowie B16 S. 12 „Inhibition of ovulation“ Abs. 1). Wie die auf diese Er-kenntnisse aufbauenden, in der Publikation NiK4 beschriebenen weiteren Unter-suchungen ferner zeigten, war selbst mit einer täglichen Dosierung von 0,030 Mil-ligramm bei allen drei Frauen dieser Gruppe eine Unterdrückung der Ovulation festzustellen ebenso wie bei fünf von sechs Teilnehmerinnen jener Gruppe, die täglich 0,015 mg einnahmen (vgl. S. 51 “Abstract”, S. 52 Abs. 1 Satz 4 und 5 und S. 56 Abs. 3 Satz 1). Verglichen mit anderen bereits bekannten Gestagenen wie Norethindron, Chlormadinonacetat, Lynestrenol oder Norgestrel, die bei Dosierun-gen von 0,300 bzw. 0,500 mg bzw. 0,050 bis 0,075 mg lediglich zu einer Hem-mung des Eisprungs von 70 %, 77 %, 0 bis 69 %, 85 bis 91 % oder 48 bis 66 % führen (vgl. S. 56 Abs. 3), erwies sich Desogestrel damit nicht nur als bei erheblich niedrigeren Dosierungen wirksam, sondern auch als ein Gestagen, das im Gegen-satz zu diesen zu einer vollständigen Ovulationshemmung führt. Da jedoch bei vier von neun Studienteilnehmerinnen irreguläre Zwischenblutungen aufgetreten waren, schlugen die Autoren der Veröffentlichung NiK4 die Durchführung weiterer klinischer Studien vor und zwar für den Wirkstoff Desogestrel alleine oder in Kom-bination mit einem Estrogen (vgl. S. 57 Abs. 1 i. V. m. S. 52 Abs. 2).
Studien mit dem Wirkstoff Desogestrel alleine sind in dem 1982 veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel NiK2 beschrieben, der die im Zusammenhang mit einer täglichen Einnahme von 15 bis 60 μg (= 0,015 bis 0,060 mg) Desogestrel zu be-obachtenden zentralen und peripheren Wirkungen betrifft. Ziel dieser Studie war nicht nur die Ermittlung der niedrigsten Dosierung für Desogestrel, die zu einer Ovulationshemmung führt, sondern insbesondere auch dessen Wirkung auf den Gebärmutterhals – und damit auf den Zervix-Schleim – sowie auf die Gebärmutter-schleimhaut, das Endometrium. Durchgeführt wurden die Untersuchungen mit ei-ner täglichen Dosierung von 15, 30 oder 60 μg (vgl. S. 21 li. Sp. „Abstract“ und re. Sp. Abs. 1). Hinsichtlich der ovulationshemmenden Wirkung zeigte sich auch in dieser Studie, dass diese jedenfalls mit einer Dosis von 60 μg erzielt wird – ein Er-
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gebnis, das mit den Ergebnissen früherer Studien – u. a. den in den Dokumenten NiK3 und NiK4 beschriebenen – übereinstimmte (S. 26 re. Sp. Abs. 5 “Treatment cycle with 60 μg Desogestrel” sowie S. 27 li. Sp. “Ovulation inhibition by desoge-strel” und S. 28 li. Sp. Abs. 2). Darüber hinaus konnte mit der Einnahme von De-sogestrel eine Erhöhung der Viskosität des Zervix-Schleimes beobachtet werden – eine Eigenschaft, die ebenfalls eine Rolle im Zusammenhang mit der empfängnis-verhütenden Wirkung von Gestagenen spielt. Diese Veränderung der Konsistenz, die u. a. zu einer verminderten Durchlässigkeit des Zervix-Schleimes für Spermien führt, entsprach der mit der Verabreichung anderer Progesterone festgestellten (vgl. S. 27 re. Sp. ” Effects on cervical mucus”). Auch die Wirkung von Desogestrel auf das Endometrium, mit der die Einnistung des Eis verhindert wird, glich dem anderer Gestagene. Dabei handelt es sich um eine Wirkung, bei der es sich ver-mutlich – wie die Autoren des Artikels NiK4 ausführen – um eine der wichtigsten im Zusammenhang mit der empfängnisverhütenden Wirkung einer kontinuierlichen “Progestogen-only”-Behandlung handeln dürfte (vgl. S. 27 re. Sp. “Effects on the endometrium”). Nebenwirkungen von klinischer Bedeutsamkeit wurden nicht beo-bachtet, außer Schmierblutungen bei der Hälfte der Studienteilnehmerinnen, die 30 μg Desogestrel einnahmen, während dagegen bei der Teilnehmerin, die täglich 60 μg des Wirkstoffes einnahm, keine Zwischenblutungen auftraten (vgl. S. 26 spaltenübergreifender Absatz und re. Sp. Abs. 5 sowie S. 28 linke Sp. Abs. 2).
In Anbetracht dieses Sachstandes bedurfte es keiner Überlegungen erfinderischer Art, zur Lösung der vorliegenden Aufgabe Desogestrel als Wirkstoffkomponente eines Monopräparates zur Kontrazeption in Betracht zu ziehen. So ist anhand der Publikation NiK4 zu ersehen, dass die Verabreichung des Wirkstoffes Desogestrel als Monopräparat zu deren Veröffentlichungszeitpunkt bereits im Blickfeld des Fachmannes war (vgl. S. 57 Abs. 1). Die Durchführung solcher Studien wird so-dann im wissenschaftlichen Artikel NiK2 beschrieben, in dem bereits im ersten Satz auf einen Review-Artikel zur kontinuierlichen, niedrig dosierten Gestagen-Einnahme zur Empfängnisverhütung Bezug genommen wird und darauffolgend Desogestrel als stark wirkendes Gestagen genannt wird (vgl. S. 21 li. Sp. Abs. 1). Der Fachmann wird die Motivation für diese Studien aber auch deshalb in der
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Zielsetzung sehen, ein Monopräparat von Desogestrel bereitzustellen, weil Ge-genstand der in diesem Artikel beschriebenen Untersuchungen jene Faktoren sind, die von der Fachwelt als wesentlich für die Wirkung eines „Progestogen-only“-Präparates beobachtet worden waren (vgl. Anlage 6 zum Gutachten B12, S. A-55 linke/rechte Spalte übergreifender Absatz) und mit diesen Studien die sehr gute Eignung von Desogestrel alleine zur Kontrazeption sowie die geringe Gefahr für das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen bestätigt bzw. nachgewiesen wurde (vgl. NiK2 S. 21 „Abstract“, und S. 28 li. Sp. Abs. 2). Die Sichtweise, dass die Schwerpunktsetzung des Dokumentes NiK2 in der Entwicklung eines Desoge-strel enthaltenden Monopräparates liegt, trifft umso mehr zu, als im Zusammen-hang mit der Diskussion der Wirkung von Desogestrel auf das Endometrium zu-dem nur eine Veröffentlichung zitiert wird, die die mit der Einnahme dieses Wirk-stoffes verbundenen Veränderungen des Endometriums unter dem Aspekt einer kontinuierlichen „Progestogen-only“-Behandlung bewertet (vgl. S. 21 li. Sp. le. Abs. und S. 27 re. Sp. Abs. 3). Auf der Suche nach einem Verabreichungs-Re-gime zur Empfängnisverhütung, das die Ovulation wirkungsvoller inhibiert, nicht aber zu häufigeren Zwischenblutungen oder zu persistierenden funktionellen Ova-rialzysten führt als mit bereits bekannten Gestagen-Monopräparaten, lag es somit nahe, die mit dem wissenschaftlichen Artikel NiK2 gegebene Anregung aufzu-greifen. Denn der mit der vorliegenden Aufgabe betraute Fachmann konnte ange-sichts der in den Dokumenten NiK4 und NiK2 beschriebenen Studienergebnissen von vornherein davon ausgehen, dass mit der Verwendung von Desogestrel in niedriger Dosierung die Ovulation zu 100 % inhibiert wird und damit ein kontra-zeptiv wirkendes Monopräparat bereitgestellt wird, das jenen Gestagen enthalten-den Monopräparaten überlegen ist, die bereits auf dem vorliegend in Rede ste-henden Indikationsgebiet eingesetzten werden (vgl NiK4 S. 56 Abs. 3). Dieses auch deshalb, weil der Fachmann zudem erwarten konnte, dass dessen Ein-nahme nicht mit weiteren unerwünschten Nebenwirkungen verbunden ist, nach-dem insbesondere in Verbindung mit den im Zusammenhang mit der Gabe von Minipillen stets zu erwartenden Zwischenblutungen kein über das als üblich aner-kannt hinausgehendes, häufigeres Auftreten beobachtet worden war (vgl. NiK2 S. 21 „Abstract“ Abs. 3 Satz 4 und 5 sowie S. 28 Abs. 2 le Satz).
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Nachdem es somit auf der Hand lag, die Verwendung von Desogestrel als zur Lö-sung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe geeignet in Erwägung zu ziehen, kann auch die Maßnahme, den Wirkstoff in einem Bereich von 70 bis 80 μg zu dosieren, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Denn dem Fachmann war – wie vorstehend dargelegt – bekannt, dass mit einer Dosismenge von 60 μg und 125 μg Desogestrel eine Ovulationshemmung von 100 % erzielt wird (vgl. NiK4 S. 56 Abs. 3 sowie NiK2 S. 28 Abs. 2). Davon ausgehend konnte er sodann innerhalb des durch diese Dosierungen begrenzten Bereiches ohne weiteres den für seine Zielsetzung optimalen Dosierungsbereich ermitteln, d. h. jenen Dosisbereich, innerhalb dessen die gewünschte kontrazeptive Wirkung bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu beobachten ist. Die Ermittlung dieses Bereiches aber erfolgt anhand von Dosisfindungsstudien, die der Routinetätigkeit des Fachmannes zuzuordnen sind und deren Anlegung keine Überlegungen erfinderischer Art erfordern.
Diese solchermaßen formulierten Monopräparate sodann konfektioniert in einer Empfängnisverhütungspackung umfassend sequentielle tägliche Dosiseinheiten zur oralen Verabreichung bereitzustellen, entspricht der allgemein üblichen Dar-reichungsform empfängnisverhütender, oral einzunehmender Arzneimittel. Daher ist auch diese Maßnahme nicht dazu geeignet, einen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit zu leisten.
Auch die von der Streitpatentinhaberin geltend gemachten vorteilhaften Eigen-schaften von Desogestrel, wie ein neuer Wirkmechanismus, ein längeres Einnah-mefenster bzw. ein geringeres Auftreten an irregulären Zwischenblutungen und persistierender Zysten, können zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn sie sind lediglich die zwangsläufige Folge eines – wie vorstehend ausgeführt – nahe gelegten Handelns (vgl. BGH GRUR 2003, 317 Ls., 320 II.2.d)bb) – Kosmetisches Sonnenschutzmittel). Darüber hinaus ist nicht erkennbar, inwiefern diese in der Praxis tatsächlich erzielt werden, nachdem – wie anhand der Fachinformation zum Präparat „Yvette-ratiopharm®” der Klägerin (= NK 16), das als einzigen Wirkstoff
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75 μg Desogestrel enthält, zu ersehen ist – auch ein Desogestrel enthaltendes Monopräparat bei bis zu 50 % der Frauen zu Blutungsunregelmäßigkeiten führt (vgl. NiK16 S. 3 “4.8 Nebenwirkungen”).
1.2. Der angegriffene Patentanspruch 1 umfasst als alternative Ausführungsfor-men der dort genannten Dosiseinheit ferner solche, die als einzigen empfängnis-verhütenden Bestandteil 3-Ketodesogestrel oder Mischungen von Desogestrel und 3-Ketodesogestrel enthalten. Diese Maßgaben können ebenfalls keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Bei dem Wirkstoff 3-Ketode-sogestrel handelt es sich – wie vorstehend dargelegt – um den eigentlich im Kör-per agierenden Wirkstoff. Dieses war dem Fachmann zum maßgeblichen Zeit-punkt bekannt (vgl. NiK 3 S. 437 Abs. 1/le. 3 Sätze). Damit unterscheiden sich die vom strittigen Patentanspruch 1 umfassten Dosiseinheiten lediglich darin, dass sie in einem Fall das Prohormon, im anderen Fall bereits das eigentlich wirkende Hormon enthalten. Der Fachmann konnte auf Grund dessen von vornherein davon ausgehen, dass mit der Verwendung von 3-Ketodesogestrel bzw. Mischungen von Desogestrel und 3-Ketodesogestrel die vorliegende Aufgabe in gleichem Maße mit dem angestrebten Erfolg gelöst werden kann wie mit Desogestrel. Daher trifft die vorstehende Argumentation hier gleichermaßen zu.
1.3. Zu keiner anderen Beurteilung kann die Argumentation der Beklagten füh-ren, die Publikationen NiK2 bis NiK4 gäben dem Fachmann keine Hinweise, De-sogestrel formuliert als “Progestogen-only”-Präparat bereitzustellen, weil deren Schwerpunkt auf der Ovulationshemmung liege. Daran erkenne der Fachmann nämlich, dass diese Veröffentlichungen nur auf die Entwicklung eines Kombinati-onspräparates gerichtet sein können, da für Monopräparate andere Faktoren wichtig seien, wie insbesondere die Verdickung des Zervixschleims.
Entgegen dieser Auffassung der Streitpatentinhaberin betreffen die Veröffentli-chungen NiK3 und NiK4 allgemeine Studien zur empfängnisverhütenden Wirk-samkeit des Wirkstoffs Desogestrel an sich. Denn in keinem dieser Dokumente wird die mit Desogestrel festgestellte Wirkung im Hinblick auf eine gleichzeitige
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Gabe mit einem Estrogen, so wie es mit der Einnahme eines Kombinationspräpa-rates erfolgt, diskutiert. Dagegen ist der wissenschaftliche Artikel NiK2 erkennbar auf die Entwicklung eines Desogestrel enthaltenden Monopräparates zur Emp-fängnisverhütung gerichtet.
Mit den Studien gemäß der Veröffentlichung NiK3 wird sowohl die Fähigkeit des Gestagens zur Ovulationshemmung bei unterschiedlichen Dosierungen als auch die mit dessen Gabe bewirkte Veränderung des Zervixschleimes untersucht (ver-gleiche S. 429 “Abstract”, S. 430/431 übergreifender Absatz, S. 434 Tabelle 2 so-wie S. 436 Abs. 1). Dabei handelt es sich um Faktoren, die sowohl – was die Ovulationshemmung betrifft – für die Entwicklung eines Kombinationspräparates als auch für die Entwicklung eines Monopräparates wesentlich sind (vg. B12 An-lage 6 S. A-55 li./re. Sp. übergreifender Absatz Spiegelpunkte 1 und 3). Der Ein-wand der Beklagten, bei der Untersuchung des Zervixschleimes, mit der dessen veränderte Durchlässigkeit für Spermien nach der Gestagen-Gabe gemessen werde, handele es sich lediglich um einen in-vitro Versuch, weshalb es sich hier-bei um einen eingeschränkten für die Zielsetzung der Entwicklung eines Monoprä-parates nicht geeigneten Test handele, kann nicht greifen. Denn die Untersuchung von Körperflüssigkeiten erfolgt üblicherweise anhand von in-vitro Messungen, da – dies ist insbesondere auch vorliegend der Fall – in-vivo Messungen zur Gewin-nung reproduzierbarer Werte anhand von Körperflüssigkeiten, die in ihrem natürli-chen Umfeld belassen werden, im allgemeinen nicht praktikabel sind. Auch der im Dokument NiK3 genannte Zeitraum innerhalb dessen die Veränderung des Zer-vixschleimes untersucht worden ist – dem 13. bis 14. Tag des Zyklus – kann die Argumentation der Beklagten nicht stützen. Dabei handelt es sich um die Zyklus-mitte, in der die Ovulation erfolgt, d. h. um jenen Zeitraum in dem die Konsistenz-änderung des Zervixschleimes unter Gestagengabe einen weiteren wesentlichen Faktor für die empfängnisverhütende Wirkung dieser Wirkstoffgruppe darstellt.
Die Publikation NiK4 betrifft zwar ausschließlich Studien zur ovulationshemmen-den Wirkung von Desogestrel (= Org 2969), doch auch diese sind hier in einem allgemeinen Kontext zu sehen. Untersucht wird nämlich insbesondere die Beein-
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flussung jener natürlichen Hormone, die im Zusammenhang mit der Steuerung des weiblichen Zyklus eine Rolle spielen (vgl. S. 51 “Abstract”, S. 54 Figur 2 und Tab. I und S. 55 Figur 3), d. h. Wirkungen, deren Kenntnis für die Entwicklung je-des empfängnisverhütenden Präparates, sei es ein Kombinationspräparat oder ein Monopräparat, wesentlich ist. Der Aussagewert dieses Dokumentes geht aber in-sofern noch über jenen des Dokumentes NiK3 hinaus, als dort schlussendlich vor-geschlagen wird, weitere klinische Studien mit Desogestrel alleine oder in Kombi-nation mit einem Estrogen durchzuführen (vgl. S. 57 Abs. 1). Daher wird der Fachmann auch die in diesem Dokument beschriebenen Studien nicht ausschließ-lich auf die Entwicklung eines Kombinationspräparates ausgerichtet lesen, son-dern die abschließenden Ausführungen vielmehr als Hinweis dahingehend erach-ten, dass das Gestagen Desogestrel von der Fachwelt als geeigneter Kandidat sowohl für ein Kombinationspräparat als auch für ein Monopräparat gesehen wird.
Die Argumentation der Beklagten trifft ebenso nicht auf die Veröffentlichung NiK2 zu. Denn in dieser nehmen die Autoren nicht nur explizit auf eine kontinuierliche niedrigdosierte Gestagen- bzw. “Progestogen-only”-Einnahme zur Empfängnis-verhütung Bezug (vgl. S. 21 li. Sp. Abs. 1 sowie S. 27 re. Sp. Abs. 3). Mit den in diesem wissenschaftlichen Artikel beschriebenen Studien werden auch jene Ei-genschaften des Desogestrels untersucht, die für die Wirkung eines auf Gestage-nen basierenden Monopräparates wesentlich sind (vgl. S. 21 „Abstract“ und S. 27 li. Sp. „Ovulation inhibition by desogestrel“, re. Sp. „Effects on cervical mucus“ sowie „Effects on the endometrium“ i. V. m. B12 Anlage 6 S. A 55 li./re. Sp. über-greifender Absatz). Überdies sind in diesem Dokument – wie übrigens auch in den Publikationen NiK3 und NiK4 – jene Nebenwirkungen Gegenstand der Untersu-chung, bei denen es sich um irreguläre Zwischenblutungen handelt und die im Zusammenhang mit der Einnahme von Monopräparaten charakteristisch sind (vgl. NiK2 S. 21 “Abstract” Abs. 3, S. 24/25 seitenübergreifender Absatz, S. 26 re. Sp. Abs. 1 Z. 3 und 4, Abs. 5 vorl. Satz). Dagegen wird in diesem Dokument an keiner Stelle auf die Verwendung von Desogestrel als Wirkkomponente eines Kombinati-onspräparates Bezug genommen. Das auch im Zusammenhang mit diesem Do-kument vorgetragene Argument, hier stehe ebenfalls nur die Ovulationshemmung
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und damit die Entwicklung eines Kombinationspräparates im Mittelpunkt, weil die Messung der veränderten Durchlässigkeit für Spermien nach der Gestagen-Gabe nur in vitro erfolgt sei, kann aus den vorstehend genannten Gründen ebenso we-nig zu einer anderen Sichtweise führen, wie der Verweis auf die Figuren 2A bis 2D sowie 3A bis 3D. Da gemäß diesen – wie die Beklagte vorgetragen hat – der Zer-vixschleim nach der Desogestrel-Einnahme in zu geringer Menge vorhanden war und zu viskos war, um jenen Test, mit dem die Durchlässigkeit für Spermien ge-messen werden kann, überhaupt durchzuführen, seien die in diesem Zusammen-hang gewonnene Daten unvollständig, weshalb der Schwerpunkt erkennbar nicht auf die Entwicklung von Monopräparaten gerichtet sei. Die Verminderung der Schleimbildung im Gebärmutterhals und die Erhöhung der Viskosität des Zer-vixschleimes sind aber – und dies ist dem allgemeinen Wissen des Fachmannes zuzuordnen – bereits ein charakteristisches Kennzeichen einer kontrazeptiven gestagenen Wirkung (vgl. NiK2 S. 27 re. Sp. Abs. 2).
Die Beklagte hat ferner vorgetragen, die Publikationen NiK2 bis NiK4 seien auch deshalb auf die Entwicklung eines Kombinationspräparates gerichtet, weil die dort angegebenen Einnahmezeiträume von 21 bzw. 23 Tagen mit den Zeitmustern von Kombinationspräparaten übereinstimmten, während Monopräparate – wie auch anhand des Gutachtens B15 zu ersehen sei – mindestens 28 Tage verabreicht werden müssten. Denn im Falle eines Monopräparates lasse die Betrachtung ei-nes Einnahmezeitraumes von drei Wochen keine Aussagen über eine Lang-zeitstabilität des Zyklus oder eine empfängnisverhütende Wirkung zu. Dieser Ein-wand kann ebenfalls nicht greifen. Bei den in den Veröffentlichungen NiK2 bis NiK4 beschriebenen Studien handelt es sich um erste klinische Untersuchungen zu Desogestrel, mit denen lediglich überprüft wird, welchen Einfluss die Einnahme von Desogestrel auf die den weiblichen Zyklus regulierenden Hormone hat, insbe-sondere inwiefern jene Faktoren beeinflusst werden, mit denen eine Schwanger-schaft verhindert werden kann, und inwiefern dessen Einnahme gegebenenfalls zu unerwünschten Nebenwirkungen führt (vgl. B15 S. 4 Abs. 1 Satz 3 v. u.). Die so erhaltenen Ergebnisse vermögen dem Fachmann sodann eine Anregung dahin-gehend zu vermitteln, einen derart bereits untersuchten Wirkstoff für weitere Ent-
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wicklungen in Betracht zu ziehen. Sie sind aber nicht dafür vorgesehen, Daten zur Zykluskontrolle unter Einnahme von Desogestrel zu erhalten, da solche Studien in jedem Fall – so auch für Kombinationspräparate – von längerer Dauer sein müss-ten (vgl. dazu auch B10 S. 5/6 seitenübergreifender Satz sowie B13 S. 7 Abs. 2 Satz 1). Studien zur Zykluskontrolle über einen längeren Zeitraum und somit zu einer dauerhaften Ovulationsinhibierung sind für den Fachmann aber nur dann sinnvoll und vertretbar, wenn er [– so wie es mit den Veröffentlichungen NiK2 bis NiK4 erfolgt ist -] aufgrund der Ergebnisse aus Vorversuchen – mit dem ge-wünschten Erfolg rechnen kann und nicht mit dem Auftreten unerwünschter offen-sichtlicher Nebenwirkungen gerechnet werden muss.
Darüber hinaus hat die Beklagte argumentiert, die Schwerpunktsetzungen der Publikationen NiK2 bis NiK4 auf die Ovulationshemmung und damit die Entwick-lung eines Kombinationspräparates sei auch daran zu erkennen, weil in allen die-sen Dokumenten auf die mit dem wissenschaftlichen Artikel B11 veröffentlichten Studien Bezug genommen werde und im Rahmen der dort beschriebenen Unter-suchungen Desogestrel in Kombination mit einem Estrogen eingenommen werde. Indessen kann auch dieses Argument den Senat nicht überzeugen. Wie in der Veröffentlichung B11 ausgeführt, stellt die dort beschriebene Versuchsanordnung ein gutes Modell für erste Untersuchungen gestagener Wirkstoffe dar (vgl. S. 18 re. Sp. Abs. 2 le. Satz). Bei den Teilnehmerinnen dieser Studie handelte es sich um Frauen, denen die Eierstöcke entfernt worden waren, somit um Frauen deren Östrogenproduktion nicht mehr jener von Frauen mit intakten Eierstöcken ent-sprach. Damit aber liegt bei diesen Studienteilnehmerinnen eine durch den Östro-genmangel bedingte Veränderung der Schleimproduktion im Gebärmutterhals so-wie des Endometriums vor. Um unter diesen Bedingungen die Wirkung eines Ge-stagens auf genau diese Faktoren zu untersuchen, ist es daher erforderlich, mit der Einnahme eines Östrogens annähernd Frauen mit normaler Östrogenproduk-tion entsprechende Bedingungen wieder herzustellen (vgl. S. 14 re. Sp. Abs. 1 und 2). Die mit einer solchen Studie ermittelten Ergebnisse sind aus diesem Grunde nicht mit Ergebnissen vergleichbar, die im Rahmen der Einnahme eines Kombinationspräparat von Frauen mit intakten Eierstöcken erhalten werden. Es
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entspricht zudem auch nicht der Zielsetzung einer entsprechend angelegten Stu-die, Hinweise zur Wirkung von Desogestrel in einem Kombinationspräparat zur Kontrazeption bei gesunden Frauen zu erlangen.
Schließlich hat die Beklagte eingewendet, die Bereitstellung eines Desogestrel enthaltenden Monopräparates zur Lösung der vorliegenden Aufgabe sei schon deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, weil dieses erst im Jahr 1990 zum Patent angemeldet worden sei, während die Dokumente NiK2 bis NiK4 be-reits in den Jahren 1976, 1977 und 1982 veröffentlicht worden seien. Wie vorste-hend dargelegt, lag die Bereitstellung des im strittigen Patentanspruch 1 angege-benen Desogestrel enthaltenden Monopräparates in Kenntnis der Dokumente NiK2 bis NiK4 nahe. Daher handelt es sich vorliegend weder um ein seit langem ungelöstes Problem oder um ein langes Bemühen um eine Lösung, noch ist ein langes Arbeiten mit nachteiligen Lösungen aus dem vorliegenden Stand der Technik zu erkennen (vgl. Busse/Keukenschrijver PatG 7. Aufl. § 4 Rdn. 173).
1.4. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Grundpatent ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.
2. Eine Bestandsfähigkeit kann der Senat auch nicht in den Gegenständen der nebengeordneten Patentansprüche 5, 6, 7 und 8 erkennen. Sie sind daher eben-falls für nichtig zu erklären.
2.1. Die Patentansprüche 5, 6 und 7 sind auf die Verwendung einer täglichen oralen Dosiseinheit, eines Arzneiabgabesystem umfassend eine Packung, die 26 bis 30 sequenzielle tägliche Dosiseinheiten enthält, sowie einer Empfängnisver-hütungspackung vom Typus, der tägliche nur-Gestoden-Dosiseinheiten enthält, gerichtet, wobei die Dosiseinheit jeweils als einzigen empfängnisverhütenden Be-standteil Desogestrel, 3-Ketodesogestrel oder Mischungen davon enthält. Da es sich dabei um Konfektionierungen handelt, die auf dem zur Diskussion stehenden Indikationsgebiet üblich sind, betreffen diese Patentansprüche keinen anderen
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Sachverhalt, als er mit dem Patentanspruch 1 vorliegt, weshalb die zum Patentan-spruch 1 dargelegten Gründe hier ebenfalls vollumfänglich gelten.
2.2. Der Patentanspruch 8 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittelabgabesystems, das die Formulierung der Desogestrel, 3-Ketodeso-gestrel oder Mischungen davon enthaltenden Monopräparate, sowie deren Kon-fektionierung umfasst. An keiner Stelle der Streitpatentschrift ist ein Hinweis da-hingehend zu entnehmen, es habe Überlegungen erfinderischer Art bedurft, die dort angegebenen Maßnahmen zu ergreifen. Vielmehr handelt es sich dabei um Vorgehensweisen, die in diesem Zusammenhang gleichfalls üblich und dem Fachmann daher geläufig sind.
2.3. Auch in den Gegenständen der jeweils nachgeordneten Patentansprü-che 2, 3 und 9 kann kein bestandsfähiger Rest gesehen werden. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zu-käme. Diese Patentansprüche, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, sind daher ebenfalls nicht patentfähig.
III.
Die Frage, ob das ergänzende Schutzzertifikat auch für nichtig zu erklären wäre, weil es entgegen den Vorschriften des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 erteilt worden ist, da die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses Desogestrel als Arzneimittel in Deutschland, aufgrund derer die Er-teilung erfolgte, nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Er-zeugnisses Desogestrel als Arzneimittel in Deutschland gewesen sei, kann daher dahingestellt bleiben.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO. Die Ent-scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelas-senen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karls-ruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in voll-ständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Mo-naten nach der Verkündung.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
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